Ein Ruhrpott-Cross à la Couchflucht
Dass ich eine Original Ruhrpottpflanze made in Duisburg bin, dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben. So oft und so gerne ich auch durch die Welt tingele, hohe Berge erobere und auf der Suche nach Wildnis bin – dies hier ist meine Homebase, und nichts könnte jemals etwas daran ändern. Ich liebe es, immer wieder neue Ecken in meiner Hood zu entdecken. Und wo geht das ganz besonders gut? Richtig: Auf einer Radtour im Ruhrgebiet!
Am allerbesten auf einer Radtour, die direkt vor meiner Haustüre startet und mich einmal quer durchs Ruhrgebiet von West nach Ost führt. Entlang von Kanälen, die viel mehr als nur Wasserstraßen sind, entlang von alten Bahntrassen, fernab von Straßenverkehr und Stadtlärm, und über Halden, meine heißgeliebten „Ruhrpott Mountains“, die mir immer wieder Gipfel-Feeling jenseits der Alpen bescheren.
Die zweitägige Radtour von Duisburg nach Hamm, die ich in diesem Beitrag vorstelle, ist ein Ruhrpott-Cross der anderen Art. Obwohl ich mit dem Mountainbike unterwegs bin, geht es nicht darum, auf Teufel komm raus, jeden halsbrecherischen Downhill-Trail mitzunehmen. Flowige Trails finden sich in der Tour genauso wie genussvolle Kanaluferpassagen und entspannte Bahntrassenradwege. Und es geht auch nicht darum, auf krampfhafte Art und Weise zu beweisen, WIE GRÜN der Ruhrpott tatsächlich ist. Dass das nämlich nichts anderes als die nackte Wahrheit ist, dürfte inzwischen hoffentlich jedem auch noch so notorischem Zweifler bekannt sein.
Diese Route bringt dich an den inneren und umverschnörkelten Kern des Ruhrgebiets, lässt dich den Puls des Potts spüren und erleben. Abwechslungsreich, naturnah und voller Zeichen und Spuren der industriellen Vergangenheit und der neu entstandenen Industriekultur.
Komm mit auf eine Radtour im Ruhrgebiet à la Couchflucht.
Inhaltsverzeichnis
Toggleradrevier.ruhr – Radfahren im Ruhrgebiet
Wenn du mal ein richtig außergewöhnliches und spannendes Ziel für deinen geplanten Radurlaub in Deutschland suchst, kann ich dir den Ruhrpott wärmstens ans Herz legen. Ist schon klar, grüne und idyllische Hügellandschaften und Landschaftspanoramen findest du auch woanders. Keine andere Region in Deutschland jedoch kann mit so vielen faszinierenden Kontrasten punkten wie unser Revier. Grund genug dafür, dass das radrevier.ruhr sogar vom ADFC als erste urbane Radreiseregion in Deutschland zertifiziert wurde.
Wusstest du schon, dass es im Ruhrgebiet ein dichtes Radwegenetz von insgesamt über 1.200 Kilometern gibt? Fernab vom Verkehrslärm radelst du hier entlang von hübschen Kanaluferwegen und stillgelegten Bahntrassen. Entlang des Weges gibt es unendlich viele beeindruckende Industriedenkmäler, alte Zechen, Arbeitersiedlungen und renaturierte Halden, die viel mehr als nur Landmarken und hübsche Fotomotive sind. Unerwartet weite Landschaftsidyllen findest du genauso wie stillgelegte Hüttenwerke, an denen sich die Natur ihren Platz längst zurückerkämpft hat.
Wo einst Kohle und Stahl über Schienen donnerten, erstrecken sich heutzutage 1A-Fahrradwege und laden dazu ein, all die kunterbunten Projekte, Landschaften und Konstrukte der Industriekultur zu entdecken. Jahrzehnte des Wandels prägen die einstige Malocher-Region „tief im Westen“, die so unglaublich viele Geschichten zu erzählen hat. Und der es gelingt, den Kontrast aus Natur und Industriekultur so gut miteinander zu verbinden, dass auch du hoffentlich ihrem ganz speziellen Charme erliegen wirst.
Orientierung & Knotenpunktsystem
Radeln nach Zahlen kannst du im Ruhrgebiet mit Hilfe eines Knotenpunktsystems, das du so ähnlich vielleicht schon aus den Niederlanden kennst. An allen wichtigen Sehenswürdigkeiten, Bahnhöfen und Radwegekreuzungen stehen Infotafeln, die dir alle wichtigen Infos für deine Tour liefern.
Die Nummer 01-99 der nächsten Knotenpunkte sind auf den Wegweisern genannt, so dass du immer weißt, welcher Zwischenstopp als nächstes auf deiner Tour wartet. So kannst du dich anhand der Zahlen orientieren und spielend leicht eine Radtour im Ruhrgebiet nach deinem Geschmack planen.
Jeder Knotenpunkt steht dabei für eine touristisch interessante Station. Meistens handelt es sich dabei um „Ankerpunkte der Industriekultur“, wie zum Beispiel das UNESCO-Welterbe Zollverein oder den Landschaftspark Duisburg.
Radwegenetz und RevierRouten
Wenn du dir nicht selbst mit Hilfe des Knotenpunktsystems deine Route planen willst, schlägt das radrevier.ruhr auch 15 der schönsten Radtouren im Ruhrgebiet als sogenannte RevierRouten vor. Du hast die Qual der Wahl zwischen den folgenden Routen:
- Probierstück | Das radrevier.ruhr im Kleinen erfahren | 29 km
- Stahlküche | Den Wandel erfahren | 30 km
- Auenland | Den Rhein erfahren | 58 km
- Grubenfahrt | Den Bergbau erfahren | 40 km
- GartenStadt | Kontraste erfahren | 47 km
- Bahngeschichte(n) | Trassen erfahren | 33km
- Von Ruhr zu Ruhr | Das Bergische erfahren | 58 km
- Elefantenrunde | Die Börde erfahren | 68 km
- Zweistromland | Lippe und Seseke erfahren | 47 km
- Handelswege | Horizonte erfahren | 45 km
- Schwarzes Gold | Den Weg der Kohle erfahren | 42 km
- RevierWasser | Flüsse und Seen erfahren | 61 km
- Kanalpassage | Wasserstraßen erfahren | 44 km
- Landpartie Höfe und Heide erfahren | 53 km
- Haldenglück | Ausblicke erfahren | 39 km
Alle Routen führen an den Highlights des Ruhrgebiets vorbei, über Halden, Felder und Wiesen, genauso wie über stillgelegte Bahntrassen. Sie lassen dich die Geschichte des Reviers und seine Flüsse und Kanäle per Rad entdecken
Neben diesen 15 RevierRouten findest du auf der Homepage von radrevier.ruhr noch viele weitere Tourentipps. Es gibt besondere Entdeckertouren, Feierabendtouren unter 35 Kilometern, komplette Bahntrassenradwege, Uferwege und Treidelpfade und den Radschnellweg Ruhr (RS1).
Mountainbiken und Graveln im Ruhrgebiet
Auch zum Mountainbiken gibt es zum Glück im Ruhrgebiet einige spannende Trails, die ganz offiziell und legal sind und jede Menge Spaß garantieren.
So führt mitten durch die „grüne Hölle“ der Haard, die das größte Waldgebiet im Pott bildet, der leichte Rundkurs „Haard on Tour“. An den Halden, unseren „Ruhrpott Mountains“, findest du auch flowige Trails wie den Cross-Country Track an der Halde Hoheward oder zum Beispiel den noch recht neuen Brammen.Trail auf den Halden Schurenbach und Eickwinkel.
Enduro-Biker, die noch mehr Action und Downhill-Spaß suchen, kommen auf den Trails der Halde Hoppenbruch und Halde Norddeutschland auf ihre Kosten.
Wer am liebsten mit dem Gravel-Bike unterwegs ist, findet ebenso etliche sportliche Tourenvorschläge, die asphaltierte Abschnitte mit schönen Schotter- und Feldwegen, Waldpfaden und Höhenmetern bei der Auffahrt hoch auf die Halden miteinander verbinden.
Radfernwege im Ruhrgebiet
Wenn du gerne mehrere Tage am Stück mit dem Rad unterwegs sein willst, warten vier offizielle Radfernwege im Ruhrgebiet auf dich. Hier ein kurzer Überblick.
Radfernweg | Länge | Wegcharakter | Start | Ziel |
Route Industriekultur per Rad | 300 km | Rundkurs | frei wählbar | frei wählbar |
Emscher Weg | 100 km | Flussradweg (Streckentour) | Holzwickede | Dinslaken |
RuhrtalRadweg | 240 km | Flussradweg (Streckentour) | Ruhrquelle bei Winterberg | Rheinmündung in Duisburg |
Römer-Lippe-Route | 295 km | Flussradweg (Streckentour) | Hermannsdenkmal in Detmold | Römerpark in Xanten |
Tipps für den Radurlaub im Ruhrgebiet
Fahrradverleih
Wenn du kein geeignetes Rad zur Verfügung hast oder keine Lust hast, dein eigenes bis zum Startpunkt deiner Tour zu transportieren – kein Problem! Mehrere Fahrradverleihsysteme bieten von Cityrädern über Trekkingräder, E-Bikes und Mountainbikes genau das Rad, das deinen Vorstellungen entspricht. Sogar Gepäcktransfers während einer mehrtägigen Tour sind möglich.
Bett & Bike
Insgesamt gibt es im Ruhrgebiet fast 200 zertifizierte Bett+Bike Betriebe, also besonders fahrradfreundliche Unterkünfte. Vom Campingplatz bis zum Luxushotel ist alles dabei. Hier kann dein Fahrrad sicher während deiner Radtour im Ruhrgebiet über Nacht gelagert werden. Auch ein platter Reifen ist mit dem zur Verfügung stehenden Reparaturwerkzeug kein Problem.
LESETIPP
Duisburg – meine Heimatstadt – bietet auch für Outdoor-Freaks und Naturliebhaber ein grünes Sammelsurium an Möglichkeiten.
In diesem Beitrag nehme ich dich mit an meine Lieblingsorte und stelle dir meine ganz persönlichen Lieblingswanderungen und Touren zum Mountainbiken vor. Grün ist nämlich eine Farbe, die Duisburg ganz hervorragend steht!
Draußen in Duisburg – Die coolsten Outdoor-Aktivitäten und Ausflugsziele in meiner Heimatstadt
Ruhrpott-Crossing von West nach Ost – Meine Radtour im Ruhrgebiet
Tag 1 – Von Duisburg nach Castrop-Rauxel – „Haldenglück meets Kumpel-Riviera“
DATEN UND FAKTEN
Vom Duisburger Innenhafen zum Rhein-Herne-Kanal
Let the Ruhrpott-Cross begin! Ich starte meine Radtour im Ruhrgebiet direkt vor der Haustüre und radle erstmal zum Duisburger Innenhafen. Viele Abende habe ich hier hier in den Cafés und Restaurants am Wasser verbracht, aber außer der Gastronomiemeile gibt es noch so viel mehr zu entdecken. Besonders renommiert ist das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, das in einem ehemaligen Getreidesilo seine Werke ausstellt. Aber auch die Marina mit ihren Liegeplätzen für Yachten und Sportbooten ist immer wieder hübsch anzusehen. Der Innenhafen ist und bleibt einfach eine Top-Location in Duisburg.
An der bunten Aakerfährbrücke lasse ich meinen Blick über die Ruhrauen in der Morgendämmerung schweifen und gelange bald zum Rhein-Herne-Kanal, der heute einer meiner treuesten Begleiter sein wird. Für alle Ruhrpottler – inklusive mir – ist dieser so viel mehr als nur eine Wasserstraße. Er ist eher so etwas wie eine Lebensader, die dich den Puls des Potts spüren lässt. Eine bunte Regenbrücke begrüßt mich am Uferradweg als Farbtupfer, während voll beladene Binnenschiffe an mir vorbeiziehen. Wenn du ein Fan von ausgefallenen Brückenkonstruktionen bist, kann ich dir an dieser Stelle jetzt schon versprechen, dass die Route deine Augen zum Leuchten bringen wird.
Ruhig ist es hier am frühen Morgen, und ich bin weit vom Verkehrslärm der Stadt entfernt. Nur ein paar motivierte Jogger und Gassi-Geher begegnen mir auf meinem Weg entlang des Kanalufers. Einen ersten, kleinen Stopp lege ich an der Schleuse in Oberhausen-Lirich ein.
Von der Schleuse Oberhausen zum Gasometer
Hier holt mich meine Vergangenheit mal wieder ein, denn ich habe lange Jahre im Logistiksektor gearbeitet und werde immer ein wenig nostalgisch und sentimental, wenn gerade ein Schiff die Schleuse passiert und ich das Schauspiel beobachten kann. Und ich halte immer noch den Atem an, ob das Schiff auch wirklich in die engen Schleusenbecken passt und die Millimeterarbeit von Erfolg gekrönt ist.
Ein riesiges rotes Schild mahnt mich zur Geduld. Woher weiß es, dass ich ausgerechnet heute den Rhein-Herne-Kanal entlang radle? Es hat jedenfalls den richtigen Adressaten gefunden.
Zwischen qualmenden Schloten und üppig-grüner Naturidylle geht es auf einem Schotter-Asphalt-Mix direkt weiter zum nächsten Highlight. An rostigen Eisenbahnbrücken und dem Niederrheinstadion vorbei gelange ich zur Brücke namens „Slinky Springs to Fame“, die sich direkt vor dem Oberhausener Gasometer über den Kanal schlängelt. Ich mag diese Landmarke am Kaisergarten sehr. Nicht nur, weil sie nachts so toll beleuchtet ist und sich im Wasser spiegelt, sondern weil sie einfach cool ausschaut und tatsächlich an eine schwingende Spielzeugspirale erinnert. Leider ist sie momentan (Stand September 2023) nicht begehbar, so dass ich nicht darüber wackeln kann. Also erfreue ich mich nur von außen an dieser Gute-Laune-Brückenskulptur und schwinge mich stattdessen wieder aufs Rad.
Vom Gasometer zum Berne-Park
Nur wenige Meter weiter stehe ich dann vor dem Gasometer, das zu so etwas wie Oberhausens Wahrzeichen geworden ist. Es ist nicht nur wegen der Aussichtsplattform auf dem Dach unbedingt den Besuch wert, sondern vor allem wegen der derzeit im Inneren laufenden Fotoausstellung „Das zerbrechliche Paradies“. Wo einst Gas gelagert wurde, ist heute Europas höchste Ausstellungshalle entstanden. Es lohnt sich, dieses Industriedenkmal mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mit Blick auf den kleinen Oberhausener Sportboothafen und wenig später auf den Tanzenden Strommast „Zauberlehrling“ folge ich immer weiter der „Kumpel-Riviera“ am Rhein-Herne-Kanal. Je mehr die Sonne rauskommt, desto mehr Leute packen am Kanalufer ihre Picknickdecke aus, schmeißen ihren Grill an oder gönnen sich ein kühles Bierchen.
Das ist Ruhrpott-Flair at its Best!
Total begeistert bin ich vom Bernepark an der Emscher, den ich bis dato noch gar nicht kannte. Hier wurde die alte Kläranlage in Bottrop-Ebel zu einem richtig hübsch gestalteten Park umgewandelt. Wieder mal ein tolles Beispiel für den Kulturwandel und ein Projekt der EMSCHERKUNST. Wo einst Abwasser geklärt wurde, schaukeln nun lachende Kinder (und Sabrinas… ;-), schlendern verliebte Pärchen Händchen haltend entlang und schlemmen Rentner in der Eventgastronomie im ehemaligen Maschinenhaus. Außerdem gibt es hier auch einen Standort von dasparkhotel, wo du in umgebauten Kanalröhren übernachten kannst! Nein, das ist zwar ohne Zweifel verrückt, aber definitiv kein Witz! Aber dazu erzähle ich dir später mehr, da ich diese Erfahrung an einem ganz anderen Ort erleben durfte.
Vom Berne-Park zur Schurenbachhalde
Unter der Autobahnbrücke der A42 werde ich von einer Herde Betonschafe begrüßt (auch dies ist Kunst) und radle nun ein Stückchen entlang der Emscher, kehre ihr aber bald wieder den Rücken und treffe erneut auf den Rhein-Herne-Kanal. Mittlerweile bin ich schon in Essen angekommen und mache einen Abstecher zur Schurenbachhalde, einer meiner absoluten Favoriten unter den Ruhrpott Mountains. Ich folge dem neuen Mountainbike-Rundkurs Brammen.Trail, der sich über schmale Pfade die Halde hoch und runter schlängelt. Richtig schön flowig ist der knapp 6 km lange Trail und angenehm – ohne zittrige Beine oder brenzlige Passagen – zu fahren. Als völlig legaler, offizieller Mountainbiketrail verzichtet er auf Sprünge, bietet aber einige knackige, kurze Aufstiege und spaßige Abfahrten. Ich bin total begeistert!
„Mordor meets Ruhrgebiet“
Oben auf dem Gipfelplateau der Halde Schurenbach fühle ich mich immer ein wenig, als wäre ich gerade auf dem Mond gelandet. „Mordor meets Ruhrgebiet“ würde ich sagen. Inmitten der kargen, dunklen Erde der Steinkohlebergbauhalde thront auf dem höchsten Punkt die 15 Meter hohe „Bramme“ – eine stählerne Skulptur, die nebenbei mal wieder als Landmarke fungiert. Hier trifft gerade eine mit Seilen und Karabinern ausgerüstete Gruppe Kletterer auf einen Trupp rüstiger Rentner, die sichtbar stolz darauf sind, mit dem Rad die Halde erklommen zu haben.
Rundherum ein grandioser 360-Grad-Blick auf die Stadt Essen, die Zeche Zollverein, den Tetraeder und die Skihalle in Bottrop, das Schalke-Stadion in Gelsenkirchen und den Nordsternpark mit dem ehemaligen Förderturm der Zeche Nordstern. Dazwischen jede Menge Grün. Hierhin muss ich unbedingt mal zum Sonnenauf- oder untergang kommen!
Hinunter folge ich wieder dem Brammen.Trail durch die Haldenlandschaft und genieße die spaßige Abfahrt. Der verspielt angelegte Trail mit einigen Anliegern führt mich sogar weiter zur benachbarten Halde Eickwinkel an der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen. Übrigens ist er nicht nur für vollgefederte Mountainbikes geeignet, du kannst ihn auch gut mit einem Hardtail, und ich würde sogar sagen, auch mit einem Gravelbike befahren.
Von der Schurenbachhalde zum Nordsternpark
Halbzeit auf der heutigen Tour und Zeit für eine Pause! Besonders gut eignet sich hierfür der Biergarten im Nordsternpark auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Nordstern. So ziemlich am Fuß der beiden Zechentürme lässt es sich herrlich bei Kuchen oder der fast schon obligatorischen Portion Currywurst mit Pommes verschnaufen. Dabei blickst du auf die Herkules-Skulptur, die hoch oben auf einem der Zechentürme thront.
Der gepflegte Park, durch den die Emscher und der Rhein-Herne-Kanal verlaufen, ist unheimlich hübsch angelegt. Zwischen Bergmannsstollen, die an die gute alte Zeit und ein bedeutendes Stück Ruhrpottgeschichte erinnern, gibt es bunte Blumenbeete, Spielplätze, Teiche und Steganlagen. Ein Paradies für Freizeitaktivitäten!
Vom Nordsternpark zum Emscherbruch
Über eine architektonisch ganz schön beeindruckende rote Brücke mit einem doppelten Bogen überquere ich den Rhein-Herne-Kanal, radle am Gelsenkirchener Stadthafen und der schicken Marina Graf Bismarck (sogar mit Beachclub!) vorbei und erreiche schließlich die bekannte Grimberger Sichel. Die asymmetrische Fußgänger- und Radfahrerbrücke ist wirklich ein Hingucker und tolles Fotomotiv. Hier startet übrigens auch die beliebte Erzbahntrasse, ein Kultradweg, der im ganzen Ruhrgebiet bekannt ist. Diesem folge ich aber heute nicht, sondern nehme direkten Kurs auf das Naturschutzgebiet Emscherbruch und die schönen Wege in der Resser Mark.
Zwischen Kopfweiden und Eichen grasen friedlich die Kühe, dazwischen moorige Tümpel – eine echte Naturidylle und super Abwechslung zur Industriekulisse am Rhein-Herne-Kanal. Durch den Wald fahre ich am etwas versteckt liegenden Hertener Ewaldsee entlang. Ein friedlicher Ort, von dem es nicht weit bis zu den alten Gebäuden der Schachtanlagen von Zeche Ewald ist. Auch hier gibt es einen Biergarten, den ich aber links liegen lasse.
Die Relikte der Industriekultur will ich mir am liebsten von oben anschauen, und die Halde Hoheward ist praktischerweise gleich nebenan! Da ich gar nicht abwarten kann, bis ich oben bin, steige ich erstmal vom Rad ab und laufe ein paar der Stufen zur Balkon-Promenade hoch. Das sieht doch schon mal viel versprechend aus. Also dann, los gehts ganz nach oben.
Gipfelglück auf der Halde Hoheward
Langsam radle ich dem Gipfelplateau der Halde entgegen und folge ein paar Bodenmarkierungen, die mich doch glatt zum Sunset-Picknick einladen. Oben angekommen auf 153 Metern schwelge ich im Gipfelglück auf Ruhrpott-Art. Die Atmosphäre ist unglaublich entspannt. Einige lassen kunterbunte Drachen steigen, mehrere Paraglider schweben die Halde hinunter, überall sitzen wild schwatzende oder in Ruhe genießende Besucher und lassen dabei ihren Blick in die Weite schweifen. Der Panoramablick auf das zentrale Ruhrgebiet ist gewaltig – hier von der größten Halde Europas liegt dir der Pott zu Füßen!
Ganz ehrlich – wer hier als Ruhrpottpflanze nicht zumindest ansatzweise lokalpatriotisch wird, dem ist echt nicht mehr zu helfen. Ich jedenfalls genieße das Gipfelfeeling in vollen Zügen und schaue mir die Aussicht aus jeder nur denkbaren Perspektive an. Inmitten der Haldenlandschaft thronen gleich zwei imposante Landmarken: Das Horizontobservatorium mit seinen gerundeten Stahlbögen und etwas weiter unterhalb die Sonnenuhr mit Obelisk. Beides unbedingt sehenswert und schon von weitem sichtbar. Ach, es gibt hier einfach so viel zu entdecken, dass du es dir unbedingt mit eigenen Augen anschauen solltest!
Für mich geht es nun in Serpentinen wieder hinunter und zu meiner absoluten Lieblingsbrücke im Ruhrgebiet. Die originelle Drachenbrücke hat die Form eines Drachenskeletts, dessen Rippen als Halter für die Geländer dienen. Zum Glück komme ich unbeschadet am Feuerspucker vorbei und fahre noch ein Stückchen weiter durch den Landschaftspark Hoheward.
Von der Halde Hoheward zu den Emscherauen
Der noch recht frisch eröffnete Aktiv Linear Park mit Pumptrack, Calisthenics-Park, Abenteuerspielplatz sieht auch schon wieder einladend aus, aber so langsam muss ich echt mal in die Pötte kommen und den Endspurt einlegen. Sonst wird das nichts mehr mit meiner Ankunft im Hellen. Also ab zum schon fast schmerzlich vermissten Rhein-Herne-Kanal, dem ich ab dem Stadthafen Recklinghausen wieder folge. Dieser Wegabschnitt entlang des Herner Meers und des Naturschutzgebietes Pöppinghausen gefällt mir nochmal ganz besonders gut.
Die sogenannten „Castroper Everglades“ präsentieren sich als sumpfiger Auenwald und sind ein schönes Rückzugsgebiet für Wasservögel aller Art. Was für eine Naturidylle, in der sich sogar Eisvögel und Kormorane wohlfühlen!
Auf meinen letzten Metern des ersten Tourentages genieße ich dann noch die Emscherauen und die tolle Aussicht von den Emscher-Terrassen. Der neu geschaffene Emscherpark rund um die renaturierte Emscher ist schon wieder so ein gelungenes Projekt des Strukturwandels. Unglaublich, wie viele eindrucksvolle Beispiele ich alleine heute auf meiner Radtour im Ruhrgebiet erleben konnte!
Entlang des neuen Emscherlandes, das für die Tier- und Pflanzenwelt geschaffen wurde, radle ich nun flugs meinem Übernachtungsziel auf dem Emscher-Weg entgegen.
Übernachtung in der Kanalröhre – dasparkhotel am Hof Emscher-Auen
An der Stadtgrenze zwischen Dortmund-Mengede und Castrop-Rauxel ist am Hochwasserrückhaltebecken ein kleines Naherholungsgebiet entstanden, welches von der Emscher durchflossen wird. Was früher eine stinkende Kloake war, ist heute ein einzigartiger Naturraum, in dem viele Vogelarten Brut- und Rastgebiete finden. Und so gibt es hier natürlich auch eine Hütte zur Vogelbeobachtung in den Emscherauen.
Inmitten dieser Idylle im Naturschutzgebiet liegt der Hof Emscher-Auen mit einem kleinen Café samt Außenterrasse. Und eben dasparkhotel. Was beim ersten Hören klingt wie ein luxuriöser Hotelkomplex, sind in Wirklichkeit drei Kanalröhren die zu so etwas wie Tiny Houses umgebaut wurden. Ja, man kann tatsächlich darin übernachten und ja, das habe ich auch getan!
Vorher hatte ich ehrlich gesagt ein wenig Bedenken, dass ich darin vielleicht klaustrophobische Zustände bekommen könnte. Aber von wegen, es ist total gemütlich und erstaunlich geräumig darin. Ein frisch bezogenes 1,20 m großes Bett gibt es ebenso, wie genügend Stauraum, eine kleine Lampe und zwei Steckdosen, so dass du auch deine Powerbank oder evtl. deinen Ebike-Akku aufladen kannst. Ein kleines rundes Fenster sorgt für Licht.
Draußen gibt es genügend Sitzgelegenheiten, eine Tischtennisplatte, einen Snack- und Kaffeeautomaten und sogar einen Sanitärwagen mit WC und Dusche.
Deine persönliche Röhre kannst du ganz easy online buchen. Die Übernachtung kostet nur 20 EUR pro Nacht, so dass die Unterkunft einfach perfekt für eine mehrtägige Radtour im Ruhrgebiet geeignet ist. Oder natürlich auch ganz einfach so als ausgefallenes Mikroabenteuer mit Familie oder Freunden.
Nach der Buchung erhältst du einen Zahlencode, mit der du deine Suite (= Röhre) öffnen kannst.
Das ist echt mal eine absolut außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit, die übrigens Bestandteil des Emscherkunstweges ist. Außer dem Standort am Hof Emscher-Auen in Castrop-Rauxel findest du die Übernachtungsröhren im Ruhrgebiet nur noch im Berne-Park, und ansonsten in Österreich.
LESETIPP
Noch mehr Tipps zum Wandern und Mountainbiken im Ruhrgebiet gefällig?
Der Ruhrpott ist ohne Frage einer der spannendsten Flecken in Deutschland. Und zum Glück bietet es mir als Wander- und Mountainbikefreak jede Menge Outdoor-Spielplätze.
Hier geht’s zu meinem Ruhrpott Outdoor Guide mit meinen liebsten Outdoor-Aktivitäten und -Regionen im Ruhrpott.
Tag 2 – Von Castrop-Rauxel nach Hamm – „Bahntrassen meets Auenidylle“
DATEN UND FAKTEN
Von den Emscher-Auen zur Halde Deusenberg
Frisch ausgeruht klettere ich aus meiner muckeligen Kanalröhre, springe unter die Dusche und schwinge mich schon wenig später wieder in den Sattel. Die Emscher-Auen sind noch in Morgennebel gehüllt, als ich mich mich wieder auf den Emscher-Weg begebe und zunächst an Schrebergärten entlang radle. Meistens parallel zur renaturierten Emscher führt mich die Strecke über Dortmund-Mengede in die Natur. Hier lässt es sich so entspannt und auf flachem Terrain in die Pedale treten, dass ich quasi ohne Anstrengungen Kilometer mache.
An Höfen und Feldern vorbei genieße ich die unerwartet weite Landschaft im Dortmunder Norden. Das erste Highlight auf meiner heutigen Radtour im Ruhrgebiet ist die Halde Deusenberg. Stolze 55 Höhenmeter muss ich mich bergauf kämpfen, um oben anzukommen erstmal leider gar nichts zu sehen. Der Nebel hält sich heute so hartnäckig, dass ich leider nichts vom Ausblick über Dortmund und die Kokerei Hansa genießen kann.
Dafür entdecke ich aber einen richtig coolen kleinen Mountainbike-Pumptrack, auf dem ich direkt ein paar Runden drehe. Die vom lokalen Abfallentsorger angelegte Mountainbike Arena ist eine tolle Überraschung mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden für jedes Können.
Von der Halde Deusenberg zur Zeche Gneisenau
So langsam kämpft sich die Sonne zum Glück durch, und die Emscher präsentiert sich immer hübscher in ihrem neuen Gewand. Wie der ehemalige Abwasserkanal wieder zum naturnahen Fluss mutiert, ist wirklich faszinierend. Ich lande nun an einem richtig schönen Teilabschnitt auf dem Uferweg des Dortmund-Ems-Kanals. Kanuten ziehen an mir vorbei, während ich unter alten Brücken und schattigen Bäumen auf feinstem Schotter radle.
Amüsiert beobachte ich, wie eine große Familie mitten unter einer Brücke am Kanal Tisch und Klappstühle aufstellt, um anschließend den Grill anzuschmeißen. Das ist der Ruhrpott, wie ich ihn kenne und liebe!
Der Hardenberg-Hafen mit seinem großen Hafenbecken und beeindruckenden Ladekränen ist noch so ein Ort, der für mich echte Ruhrpott-Vibes versprüht. Da kommt wahrscheinlich wieder meine berufliche Vergangenheit in der Logistik ans Tageslicht.
Auf dem Weg zur Zeche Gneisenau führt mich die Strecke durch jede Menge Wald. Ich fahre durch die Dortmunder Naturschutzgebiete Grävingholz, Süggel und Auf dem Brink, an einem kleinen Biotop vorbei, und lande schließlich auf der Bahntrasse Gneisenau.
Von der Zeche Gneisenau zum Seepark Lünen
Auf der kleinen Halde im Gneisenau-Park finde ich meinen persönlichen Lieblingsspot des Tages. Wo einst die Schachtanlage Gneisenau war, kannst du heute mit Blick auf die beiden denkmalgeschützten Fördertürme der ehemaligen Zeche Gneisenau eine Runde schaukeln.
Was für eine tolle Location, an der mein Ruhrpottherz mal wieder höher schlägt!
Nach diesem Abstecher radle ich weiter auf der schön ausgebauten und geschotterten Bahntrasse der früheren Gneisenau-Zechenbahn. Jede Menge Industriekultur, eine alte Zechensiedlung und Relikte aus der Bergbau-Vergangenheit sind hier entlang der Strecke zum Preußenhafen in Lünen zu finden. Es rollt sich quasi mal wieder von alleine – fernab vom Verkehr und mit leichtem Gefälle.
Der Preußenhafen ist an sich ein wunderbarer Ort für ein Päuschen, gibt es hier am Kiosk doch einen Kulttreff für Radler, die sich ihre Currywurst schmecken lassen. Ich habe allerdings heute eher Lust auf ein Stückchen Kuchen, und so lasse ich den ehemaligen Kohlehafen mit seinem schmucken Verladekran recht schnell hinter mir.
Und schon bin ich am nächsten Kanal, dem Datteln-Hamm-Kanal angekommen. Am Seepark Lünen könnte ich eigentlich mal schnell in den Badesee hüpfen. Mit Sandstrand und Freibad ist er bei Sonnenanbetern und Wassernixen sehr beliebt und versprüht richtiges Urlaubsfeeling. Aber ich trete lieber weiter fleißig in die Pedale und genieße die Fahrt durch den Emscher Landschaftspark. Hier gibt es einen riesigen Frisbee-Parcours, für den es scheinbar sogar eine richtige Community gibt. Ich schaffe es ohne wurfscheibenbedingte Kopfverletzungen hindurch und fahre nun an der Seseke entlang.
Entlang der Seseke nach Kamen
Der Seseke-Weg ist ein super ausgebauter Radweg längs des idyllischen und renaturierten kleinen Flusses. Üppig grün ist es hier, und überall finden sich tolle Picknickplätze, die zum Verweilen einladen. Außerdem wurden auch hier so einige Kunstskulpturen- und objekte aufgestellt, so dass es sich lohnt, die Augen offen zu halten.
So hübsch es hier auch ist, der kleine Abstecher zum Hofladen und Café Freisendorf zählt zum Pflichtprogramm. Das ruhige und liebevoll geführte Hofcafé Freisendorf kommt genau zur richtigen Zeit und verwöhnt mich mit einem leckeren Stück Stachelbeer-Baiser-Torte. Lecker und gemütlich ist es hier, so dass es mir fast schwer fällt, mich nach der Kalorienbombe wieder in den Sattel zu schwingen.
Zurück auf dem Seseke-Weg radle ich durch die Landschaftsidylle, begrüße ein paar weidende Pferde und werde schließlich an einem Bachlauf von einem großen Schriftzug nochmal ausdrücklich daran erinnert, das Hier und vor allem JETZT zu genießen. Wird natürlich gemacht und fällt hier auch nicht wirklich schwer, wenn man es so entspannt rollen lassen kann.
Von Kamen entlang des Datteln-Hamm-Kanals und der Lippeauen nach Hamm
In Kamen ist es an der Zeit, dem Seseke-Weg Lebewohl zu sagen. Entlang der Bahntrasse der ehemaligen Klöcknerbahn geht es nun durch ein Grünrevier zurück zum Datteln-Hamm-Kanal. Nun kann praktisch nichts mehr schief gehen. Auf dem Endspurt zu meinem Zielort Hamm gilt es eigentlich nur noch schnurstracks geradeaus entlang des Kanalufers zu radeln. Natürlich gibt’s auch hier noch allerhand links und rechts des Weges zu gucken. Nicht nur vorbeiziehende Schiffe kannst du hier wieder ganz wunderbar beobachten, sondern vor allem die unberührte Natur in den Lippeauen.
Die Idylle des Auenwaldes im Naturschutzgebiet zwischen Lippe und Datteln-Hamm-Kanal steht allerdings im ziemlich krassen Kontrast zu den nahe gelegenen Kühltürmen des ehemaligen Gerstein-Kraftwerks. Letztlich sind es aber genau diese Gegensätze, die eine Radtour im Ruhrgebiet eben so spannend und abwechslungsreich machen.
Wo sonst sieht man schon Graureiher, Störche und Schwäne in einer Sumpflandschaft direkt vor der Kühlturm-Szenerie? Wenn das mal keine echte Ruhrpottromantik ist…!
Über den Mitteldamm – die Lippe zur linken und der Datteln-Hamm-Kanal zur rechten – geht es nun endgültig auf die Zielgerade. Vom imposanten Ölhafen ist es nicht mehr weit bis zur City in Hamm, wo ich schweren Herzens meine Radtour im Ruhrgebiet beende und am Hauptbahnhof mitsamt meinem Mountainbike in den Zug zurück nach Duisburg steige.
LESETIPP
Im Elbland rund um Dresden kannst du auch wunderbare Radtouren unternehmen. Ich war vor kurzem auf einer 3-tägigen-Genussradelreise zwischen Dresden, Moritzburg und Meißen unterwegs.
Alles über die idyllische Natur entlang der Elbe, Märchenschlösser, Prachtbauten und Weingüter erfährst du in diesem Blogartikel.
Dresden – Radtour im Elbland zwischen Weinreben, Flussidylle und Märchenschlössern
Meine Buchtipps für deine Radtour im Ruhrgebiet
Wenn du etwas über diese Links buchst oder kaufst, dann erhalte ich eine kleine Provision.
Wichtig: Für dich ändert sich der Preis dadurch nicht.
Tausend Dank für deine Unterstützung!
Ich hoffe, dass ich dir mit diesem Erlebnisbericht zu meiner zweitägigen Radtour im Ruhrgebiet meinen heißgeliebten Pott ein wenig schmackhaft machen konnte. Hoffentlich hast du nun ein Gefühl dafür, wie das Ruhrgebiet tickt und was seinen ganz besonderen Reiz ausmacht.
Ich kann dich nur dazu ermuntern, auch mal mit dem Rad das Revier zu entdecken und all die faszinierenden Kontraste zwischen Industriekultur und Naturidylle hautnah zu erleben.